Veröffentlicht am 5 Kommentare

Fairisle Trick

Entspannte Fair Isle Runden

Gehört ihr auch zu den Feststrickern? Bei mir liegt es glaub ich daran, dass ich erst häkeln gelernt habe, und immer schön die Maschen festgezurrt habe – jedenfalls muss ich beim Stricken drauf achten die Maschen locker lässig aus dem Handgelenk zu zaubern. Die Problematik potenziert sich bei den mehrfädigen Techniken dann noch um ein Vielfaches, sobald ich das Garn auch um Mittel- / Ringfinger wickle, verkrampfen sich meine Maschen wie von selbst…

Bei den rundgestrickten Dreieckstüchern (Dimasq / Thistles) hat sich die Situation merklich entspannt, sobald die Runde groß genug für 80cm Rundnadeln war. Mit Magic Loop kann ich gar kein Fair Isle stricken, wo auch immer das Kabel rausguckt verzerrt sich das Maschenbild ins Groteske. Auch von anderen habe ich schon gehört, dass kleinere Fair Isle Arbeiten wie Mützen, aber insbesondere Handschuhe, auf dem Nadelspiel aussehen als hätte das Muster eine ausgeprägte Zellulitis.

Nun ist mir letztens ein hilfreicher Trick aus Norwegen zugetragen worden…und zwar:

Auf links stricken!!!!

Nein, ich bin nicht verrückt geworden, und ich rücke auch nicht von meiner Weigerung ab Muster in linken Maschen zu stricken, nein!!! Das Geheimnis ist, das Rundgestrick auf links zu drehen, so dass die Flottierfäden außen liegen. Und zwar so:

FairIsleTrick
Das ist übrigens Handschuh #21 vom Dale Adventskalender “Julevotter”

Einfache Geometrie: Der äußere Umfang eines Kreises ist immer größer aus der innere.

Wenn die Fäden außen herum geführt werden, können sie keine “Abkürzungen” mehr nehmen, die Flotten werden quasi dazu gezwungen locker um alle neuralgischen Nadelübergänge herum zu wandern.

Haken an der Sache:

Ist eigentlich keiner. Im ersten Moment ist es etwas ungewohnt das Gestrick zwischen sich und den Nadeln zu haben, und auf einmal gegen den Uhrzeigersinn zu stricken. Aber die Maschen werden weiterhin rechts gestrickt, und sobald man ein paar Runden hinter sich hat löst sich auch der Stricknadelsalat von ganz alleine. Also reine Übungssache, und ein bisschen flexibel muss das Strickgehirn ja auch bleiben 😉

Jedenfalls habe ich diese Technik jetzt anhand von 24 kleinen Julevotter-Handschuhen ausprobiert, und filigranste Muster über 26 Maschen auf einem Nadelspiel gestrickt. Bombastisch!

Wenn ich doch diese Kur gegen Maschenzellulitis übertragen könnte…ich könnte mir ein Leben als Strickeremitin leisten 😉

 

Veröffentlicht am 2 Kommentare

November Nadeln

Dimasq Monat II

Dimasqmonat2

Nachdem ich im ersten Monat des Dimasq KAL wirklich kläglich hinterher hing, habe ich im Oktober richtig Gas gegeben! Ich behaupte mal der Schal ist zu 2/3 fertig. Im Moment misst er etwa 80cm, und bisher bin ich bei Knäuel 3 & 4, ich rechne also mit Gesamtverbrauch 6 Knäuel Cardiff Small. Mein jüngster aber größter Bruder ist im Moment auf Besuch und hat das gute Stück gestern mal in die Hände bekommen…hin und weg war er! Es wurden schon Andeutungen gemacht dass er auf jeden Fall die Arbeit und Material und und und schätzen könnte, ob da jemand gerade Weihnachtsgeschenksambitionen hegt?

Im Gegensatz zu meinem Dimasq ist Julias schon fertig!!! Geschnitten hat sie Anfang der Woche bei mir zu Hause, und ich glaube sie war selbst erstaunt darüber, dass das Schneiden gar nicht so das Problem ist…die Kanten anzunähen ist beim FairIsle Dimasq wirklich eine Geduldsprüfung. Aber auch die hat Julia inzwischen bestanden und ich bin mega gespannt auf das Endergebnis.

Diese Woche habe ich (fast) meine gesamte Familie mütterlicherseits getroffen, wir waren in der Nähe von Fulda zum großen Jahrestreffen. Ich sage Fulda, weil der eigentliche Ort bei uns schon Spitznamen wie “Furunkelbach” und “Beulenstadt” hat, Eiterfeld klingt vielleicht als hätte es mir nicht gut gefallen, aber es war wirklich wirklich toll! Vor ein paar Wochen hatte ich schon eine Auswahl an Verwandten beim Geburtstag einer Cousine getroffen, und was soll ich sagen: Die Sippe sorgt für unfreiwillig nadelfreie Tage! In beiden Fällen habe ich wirklich jeweils 48 Stunden ohne Strickzeug verbracht. Leider schlägt sich das natürlich ein wenig auf mein Output aus… Bei 30 Tagen pro Monat komme ich auf 13% umgenutzte Zeit. Aber schön war’s!

Umso wichtiger, dass die übrige Zeit für wirkliche tolle Projekte aufgespart wird. Und da habe ich neben Dimasq in den letzten Wochen etwas mit hohem Nutzwert gezaubert: Selbu-Handschuhe.

Selbuhandschuhe

Das ist mein erstes Paar selbstgestrickte Handschuhe überhaupt, und es hat insgesamt nur ziemlich genau 10 Tage Zeit in Anspruch genommen, mit Fäden vernähen und und und. Das finde ich unschlagbar! Die Anleitung stammt aus dem Buch “Selbuvotten” von Terri Shea. Im Sommer habe ich ja eine Großbestellung norwegischer Strickbücher über den schwedischen Umweg mit nach Hause gebracht, und dies ist eins davon. Witzig: Beim Lesen habe ich festgestellt, dass es sich um die norwegische Übersetzung eines amerikanischen Buchs zum Thema der traditionellen Muster aus dem norwegischen Ort Selbu handelt. Das nenn ich internationale Strickliteratur!

Falls euch das Buch interessiert, die englische Version gibt es noch gebraucht bei Amazon, allerdings wohl nur in schwarz-weiß. Ansonsten gibt es alle 31 Muster auch bei Ravelry. Bücher aus Norwegen nach Deutschland zu bestellen ist kurz vor unmöglich, einer der Gründe warum ich im Dezember nochmal für ein paar Tage nach Oslo verschwinden werde.

Auch zum Thema Norwegen: Ganz im Endspurt ist mein Adventskalender von Dale, die guten Handschühchen müssen noch gedämpft werden um die Muster wirklich voll rauszubringen. Dann werde ich auch genau zeigen was ich da eigentlich gemacht habe…denn ich habe einen richtig hilfreichen Trick gefunden, der euch das FairIsle stricken vielleicht auch etwas leichter von den Nadeln gehen lässt. Seid gespannt!

Ja und abseits der Nadeln habe ich noch zwei Sachen vollbracht:

1) Es gibt bald ein eigenes Stichfest Garn! Also geben tut es das schon. Große Kisten mit unendlichen Mengen Garn stehen in meinem Flur und warten darauf vor eine Kamera ausgepackt zu werden. Mit einzelnen Knäulen experimentiere ich auch schon rum und habe kleine Herzchen in den Pupillen!

2) Man mag die deutsche Textilindustrie tot reden so lange man will, aber ich habe doch tatsächlich eine Firma hier in Westfalen gefunden, die mir aus 100% Merino das Dimasq Muster als Walkstoff herstellt!!!!!!! Das heisst ihr braucht gar nicht unbedingt selbst zu stricken um ein Doubleface Tuch mit Dimasq Muster zu bekommen. Und Walk ist ein mega geniales Material, aber dazu ein andermal mehr. Wir sind noch in der Experimentierphase, denn wie so eine Maschine ein Muster ausspuckt mussten wir erst austesten, aber ganz den Mund halten konnte ich jetzt nicht mehr, denn die erste Probe sieht auch schon richtig schön aus.

 

Hier verlinke ich wie üblich zu Marisas Linksammlung Auf den Nadeln November

Veröffentlicht am 8 Kommentare

CRPS Awareness

Achtung – nicht-strick-bezogener Inhalt voraus:

Update: Ich antworte (ausführlichst) auf alle Reaktion zu diesem Beitrag, habe aber aus Datenschutzgründen entschieden die Kommentarfunktion unter diesem Beitrag zu blockieren. Wenn du betroffen bist und Fragen zum Thema hast, schick mir gerne eine eMail.

CRPS
oder warum mir manchmal alles auf die Nerven geht

Am 2. November, also heute, ist der internationale Tag der CRPS Awareness. Wem diese Buchstabenkombination so gar nichts sagt: Glück gehabt!

Mir sagt sie leider etwas, denn sie steht für eine Krankheit mit der ich seit einem Unfall vor drei Jahren Bekanntschaft machen musste: Das Complex Regional Pain Syndrome – in Deutschland bekannter als Morbus Sudeck.

crps
Leider weiß ich nicht mehr wo ich diesen Screenshot gemacht habe…

 

 

Hier öffentlich darüber zu schreiben, dass ich von dieser Krankheit betroffen bin, habe ich mir lange überlegt. Da es sich bei CRPS um eine meist chronische Krankheit handelt, könnte es natürlich sein, dass mir irgendwann Nachteile durch diesen Blogbeitrag entstehen. Andererseits habe ich so viel Glück gehabt, dass ich im Zweifel auch einigen anderen Betroffenen mit diesem Bericht Mut machen möchte. Die Diagnose ist ein wirklicher Alptraum, und wer im Internet darüber recherchiert bekommt bisher quasi alle Hoffnung genommen. Diese Lücke möchte ich gerne schließen.

 

 

 

Die Story

Im Juli vor drei Jahren habe ich mir total doof den linken Fuß gebrochen. Und zwar habe ich in einer U-Bahn einen Kreislaufkollaps gehabt. Die Hitze an diesem Tag war einfach zu viel für mich. Mein Fuß hat in den hohen Sandalen leider den Kürzeren gezogen, und mehrere Mittelfußknochen sind gebrochen.

Durch eine unglückliche Verkettung von Umständen bin ich erst nach 5 Tagen operiert worden, war bis dahin aber auch problemlos mit Ibu über den Tag gekommen, und hatte Hoffnung nach 6 Wochen Zwangspause weiterzumachen wie vorher. Ein gebrochener Fuß…das hat ja schon vor mir der ein oder andere überstanden.

Doch nach der OP war es anders: Noch im Aufwachraum habe ich vor Schmerzen geschrieen, Ibu brachte keinerlei Linderung mehr, die Schwestern konnten mir gar nicht genug Kühlpacks bringen. Und das obwohl die OP gut verlaufen war. Ich wurde aus dem Krankenhaus entlassen, habe unter ambulanter Betreuung mit der Physio begonnen, weiterhin Ibu gefuttert, aber die planmäßigen Heilungsschritte kamen und kamen nicht. Nach den angekündigten sechs Wochen war an normales Laufen nicht zu denken, ich konnte nicht einmal mit dem Fuß den Boden berühren ohne vor Schmerzen fast in Ohnmacht zu fallen. Aber mein Arzt vermutete Heilungsverzögerung wegen der sommerlichen Bruthitze und verlängerte die Krankschreibung immer wieder.

 

Irgendwann hat meine Mutter mich – gegen meinen Willen – aus meiner Berliner Wohnung geschleppt und mich nach Münster gebracht. Hier habe ich nach einem Orthopäden gegoogelt, und Nummer 1-3 der Liste waren für Kassenpatienten leider erst Wochen später wieder frei. Aber die Nummer 4 bot mir einen Termin am selben Tag an. Und mit dieser Nummer 4 habe ich wahrscheinlich den größten Glücksgriff meines Lebens getan.

 

roentgenEs wurde ein Röntgenbild gemacht, und der Doktor sagte nur: “Entweder hat man mir ein besseres Röntgengerät geliefert als ich bezahlt habe, oder Ihr Knochen heilt nicht richtig. Sie machen mal ein MRT.” Auf die Überweisung schrieb er handschriftlich “Sudeck?”. Noch unbedarft habe ich geglaubt ein Dr Sudeck sollte bitte das MRT machen und habe nicht gegoogelt. Zum Glück.

Die Diagnose wurde durchs MRT erhärtet. CT das gleiche. Mein Arzt hat mich durch halb Münster von Fachmann zu Fachmann geschickt, und überall wurde sein Verdacht bestätigt. (Dass CRPS einen Menschen Mitte 20 erwischt ist sehr sehr selten.) Mit jeder Untersuchung wurden mir mehr und mehr Horrorszenarien gezeichnet, nur mein eigentlicher Orthopäde blieb eiskalt ruhig. Zum Glück.

CRPS ist ein extrem komplexes Krankheitsbild, das bis heute so gut wie gar nicht verstanden wird. Aus irgendeinem Grund werden Nerven nach einer Verletzung so in Aufregung versetzt, dass das Immunsystem den betroffenen Körperteil abstoßen möchte. Die Durchblutung wird gestört, dadurch fehlen Nährstoffe, und die Knochen im verletzten Areal entkalken, sie werden hohl. Mein Orthopäde hat das bereits im Anfangsstadium richtig gedeutet; die meisten Patienten werden monatelang nicht diagnostiziert, und werden für Simulanten gehalten. Aber glaubt mir…die Krankheit ist leider nur allzu real.

Mcgill
Auch Screenshot ohne Quelle

Anstelle einer monatelangen Odyssee konnte ich noch rechtzeitig in die Behandlung eines Schmerztherapeuten überwiesen werden, denn das P in CRPS steht für Pain, Schmerz. Nicht irgendein Schmerz, sondern Nervenschmerz (denkt an Zahnweh x 1000), und das dauerhaft. Laut dem McGill Schmerzindex sind CRPS Schmerzen schlimmer als eine natürliche Geburt. Das kann ich nicht vergleichen, aber es klingt realistisch.

Dank zweijähriger Therapie mit hoch dosierten Betäubungsmitteln, konstanter Physiotherapie (meine Physio hat mich zeitweilig häufiger gesehen als sonst irgendwer), Ostheopathie und einer abwechslungsreichen Beschäftigung mit Belohnungsfaktor (stricken), und Zukunftsplänen (Stichfest.net), habe ich die Krankheit anscheinend besiegt. Ganz sicher kann man das nicht sagen, weil das nicht so häufig vorkommt. Aber seit über einem Jahr nehme ich keine Medikamente mehr, meine Physio und ich treffen uns nur noch alle 7-10 Tage, und meistens laufe ich ganz ohne sichtbar zu humpeln.

 

Ich kann nicht behaupten immer komplett schmerzfrei zu sein, und manchmal brauche ich noch Unterstützung von Ibu. An schlechten Tagen kann ich sehr schlecht gelaunt sein – meine Nerven liegen wortwörtlich blank, aber ich kann selbst an solchen Tagen aufstehen und gehen, und das ist unerhört viel wert. Das Tagesziel ist jeden Tag 10.000 Schritte mit meinem Hund zu laufen, und meistens schaffe ich das ohne Probleme. Fahrrad fahren ist noch riskant, einen Marathon sehe ich auch nicht in meiner Zukunft, und wenn ich noch einmal hohe Schuhe anziehe droht mein Orthopäde mir mit einem Kopfschuss, aber damit kann ich leben. Vorsichtshalber soll ich “nervlichen Belastungen” aus dem Weg gehen, aber zum Teil kommen die ohne dass ich etwas dagegen tun kann (Stichwort: Mietbetrügerin mit Gewaltpotential).

Man liest ja immer wieder so schlaue Sprüche “Du weißt nicht welchen Kampf dein Gegenüber gerade kämpft, also maße dir nicht an ihn zu bewerten”. Phrasen, aber für Menschen mit einem Schmerzsyndrom nur allzu wichtig. Die Krankheit ist “unsichtbar”, die extremen Schmerzen kann sich ein gesunder Mensch nicht vorstellen, die Nebenwirkungen der Medikamente auch nicht. Dazu die immer wieder negativen Szenarien von “Fachleuten”, ständige Unterstellungen eigentlich nur nicht ins Büro / in die Schule oder Uni zu wollen. Mir haben wildfremde Menschen unterstellt eine “labile Persönlichkeit” zu sein, “sonst bekommt man sowas nicht”.

Dass ich wieder bis morgens um 5 auf Hochzeiten am anderen Ende der Welt tanzen kann, das deute ich eher genau ins Gegenteil: Ich habe mich nicht kleinkriegen lassen. Ja, vielleicht sind viele Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose suizidgefährdet und psychisch instabil, aber wie oben beschrieben: Die meisten Betroffenen irren monatelang unter wahnsinnigen Schmerzen von einem Arzt zum anderen und werden für bekloppt erklärt. Dann ist es vielleicht ja nicht die labile Psyche, die die Krankheit hervorruft, sondern vielleicht ist die Krankheit (und wenig hilfreiche Ärzte) Grund für eine labile Psyche?

Und gerade weil das Internet voll von Horrorszenarien von Ausbreitung bis hin zu Amputation und lebenslanger Invalidität ist, soll dieser Text eben genau das Gegenteil sein. Nur weil CRPS nicht erforscht ist, man die Ursachen und Zusammenhänge nicht kennt, ist das noch kein besiegeltes Schicksal. Dafür bin ich der zufrieden lebende Beweis.

Falls ihr betroffen seid hoffe ich, dass dieser Bericht euch ein wenig Mut gibt. Bei Bedarf gebe ich gerne die Namen meiner behandelnden Super-Ärzte weiter. Aber zuerst ein ganz ernst gemeinter Tipp (vermutlich auch bei anderen langwierigen Krankheiten mit eingeschränkter Mobilität): Probier ein Hobby, das dir das Gefühl vermittelt etwas geschafft zu haben. Für mich ist es das Stricken, aber vielleicht bist du ein passionierter Modellbauer… was auch immer es ist, mach etwas, wobei du Fortschritte beobachten kannst während deine Heilungsfortschritte noch nicht der Rede wert sind. Etwas worüber du reden kannst, wenn du heulen könntest wenn dich jemand nach deinem Befinden fragt. Das Leben geht weiter…auch wenn es humpelt…

humpel

Ich wünsche euch allen einen gesunden Start in den November!