Veröffentlicht am 8 Kommentare

Vom Muster-Schwund

Vielleicht ist es dir direkt aufgefallen: Heute musste ich einen Teil des Shops begraben.

RIP Muster

(Keine Sorge, die Muster gibt es weiterhin bei Ravelry, und im Laufe der nächsten 24 Stunden auch bei Loveknitting)

Das Ganze tut mir in der Seele weh, und am allerärgerlichsten ist die Begründung:

Die Damen und Herren der EU haben sich über die Steuersparmodelle von Amazon und Co. geärgert, und haben sich überlegt wie sie Schlupflöcher stopfen können. Leider hat ihre Stopfung unerwartete Folgen, die die Marktmacht von großen Anbietern nur noch mehr zementiert.

Dass sich die meisten großen Firmen heutzutage aus Steuergründen eine Zentrale in Luxemburg leisten ist ja hinreichend in den Medien breitgetreten worden. Im Fürstentum hat man den geringsten Mehrwertsteuersatz der ganzen EU, und bei Versandhandelsgeschäften wird der Steuersatz des Verkäufers veranschlagt. Das heisst, bei jedem Buch das du bei Amazon kaufst, geht die Mehrwertsteuer komplett an den luxemburgischen Staat, Herr Schäuble sieht keinen Cent.

Das hat die EU Finanzminister gestört, aber bei physischen Verkäufen konnte man nichts machen. Da aber der Bereich “digitale Medien” bis dahin eine steuerrechtliche Grauzone war, haben sich die Mitgliedsstaaten überlegt, dass man hier durchgreifen könnte, und in Deutschland verkaufte eBooks auch dem deutschen Fiskus eine Einnahme bescheren sollen.

Das ist alles absolut richtig gedacht, aber wie so häufig hat die Umsetzung so was von gar nicht funktioniert.

Für digitale Inhalte ist jetzt der Mehrwertsteuersatz des Landes ausschlaggebend, in dem der Käufer das Medium kauft. Solltest du zum Beispiel als Deutsche ein eBook bei Amazon kaufen, muss Amazon jetzt 19% an Herr Schäuble überweisen (jaaaa, 19%, denn eBooks sind im Gegensatz zu physischen Büchern nicht mit dem ermäßigten Steuersatz zu berechnen.)

So weit so gut.

Aaaaaaaber das ganze birgt zwei Probleme.

Erstens: Wenn du bei mir einkaufst, müsstest du mir eigentlich direkt beim “Betreten” der Musterabteilung sagen welcher Steuersatz für dich zutrifft, so dass jedem Kunden der richtige Bruttopreis angezeigt wird. Im restlichen Shop würden die deutschen 19% weiter gelten…

Zweitens: Reicht es der EU nicht aus wenn ich mich darauf verlasse dass du mich nicht anschwindelst und du versuchst zum luxemburger Steuersatz einzukaufen obwohl der schwedische für dich gilt. Man möchte daher zu jedem Kauf deine IP Adresse & deine Rechnungsadresse für die Steuern nachvollziehen können.

Beide Probleme sind bestimmt irgendwie technisch lösbar, aber nicht kundenfreundlich, und vor allem bei meiner Größe nicht kosteneffizient. Da ein großer Teil der Stichfest-Kunden im Ausland wohnt, möchte ich das Problem auch nicht abstellen indem ich für den ganzen Shop nur noch Käufer aus Deutschland zulasse.

Das Problem entsteht nicht, wenn ich die Muster nur als Teil von Garnpaketen anbiete. Die Reaktionen darauf waren aber im Zusammenhang mit der Pairfect Babyhose… sagen wir mal… verhalten.

Bleibt der Weg über die Plattformen von Ravelry und Loveknitting. Die beiden haben einen Weg gefunden kosteneffizient die Mehrwertsteuerabrechnung für die Designer zu übernehmen.

Bei Ravelry finanziere ich das über eine Provision, das heisst vom Musterpreis gehen Steuer und Provision ab.

Bei Loveknitting bekomme ich den Musterpreis nur abzüglich der Steuern. Für Loveknitting rechnet sich das, da man dir beim Kauf des Musters direkt noch passendes Garn und Werkzeug anbieten kann. Und jeder ökonomisch zurechnungsfähige Kunde wird dieses Angebot nutzen, solange das passende Garn vorhanden ist, denn natürlich ist die Frachtgrenze bei einem Sammelkauf von Muster und Garn schneller erreicht. Ich bekomme am Ende also den Musterpreis, mein eigener Onlineshop macht aber vielleicht keinen Sinn mehr, denn ein gutes Muster zu schreiben ist irre zeitaufwendig und damit kostenintensiv. Nur über die Musterverkäufe, ohne Beteiligung am verkauften Garn, lässt sich das Ganze leider nur schwer finanzieren.

Und auf einmal hat ein EU Gesetz, das gedacht war die großen Anbieter etwas einzuschränken, zur Folge dass die kleinen Anbieter nicht mehr wirtschaftlich sind.

Folge für Stichfest:

Für den Moment werde ich meine alten Muster über meinen Shop bei Ravelry und mein Profil bei Loveknitting anbieten und neue Muster erstmal nur noch als Garnpakete einzustellen. Ich hoffe nach dieser langen Ausführung über die Unsinnigkeiten des europäischen Steuerrechts hast du Verständnis für diese Strategie.

Ach ja, bis heute ist mir übrigens noch unklar welcher Steuersatz eigentlich für das eBook galt, das ich im Sommer – als Norwegerin mit deutschem Wohnsitz – im Schwedenurlaub aus dem Kindle Store runtergeladen habe. Wahrscheinlich ist irgendein Computer dabei durchgebrannt.

Und zu guter Letzt noch gute Nachrichten:

Dafür dass du mir bis hierher zugehört (gelesen) hast, gibt es hier auch noch eine kleine Überraschung:

goosebumpsEigentlich habe ich für mein neues Tuch “Goosebumps” nur ein paar Tester gesucht und bin von der Testwilligkeit meiner Leser/innen ganz überwältigt. Daher öffne ich den Test auch für dich:

Hier gibt es das Garnpaket zu Goosebumps, die Anleitung gibt es (ausgedruckt) dazu. In meiner Facebookgruppe hat sich das ganze zu einer Art KAL entwickelt, du bist herzlich eingeladen dazu zu stoßen und mitzumachen. Bis Sonntag gibt es das Paket zum reinen Materialpreis!!

8 Gedanken zu „Vom Muster-Schwund

  1. Na Klasse …..das ist ja alles sehr sehr ärgerlich und mit viel Arbeit verbunden …..

    1. Das stimmt, leider.

  2. Boa, danke für die Hintergrundinformation. Das ist ja mal echt ein starkes Stück!

    1. Das kannst du laut sagen! Da das Problem nicht nur für uns “Stricklieseln” gilt, sondern auch so “ernsthafte” Bereiche wie Software und Zeitungen, hoffe ich dass die EU sich über kurz oder lang eines besseren besinnt und diesen Wahnsinn abstellt.

  3. hmmm … Wahnsinn … kommt mir irgendwie bekannt vor.
    Nur worin besteht der Unterschied zwischen Mustern und Garnen? Warum geht das eine (Garne – Muster + Garne), das andere nicht (Muster)?
    Und eigentlich soll die EU ja alles erleichtern!?!????
    Dennoch bestrickende Grüße
    Ulla

    1. Das eine ist eine physische Leistung, das andere nur digitaler Inhalt, und die Regelung gilt nur für digitales. Auch so ist übrigens der Aufwand immernoch immens, für jedes innerhalb der EU aber nicht in Deutschland verkaufte Muster muss ich die Umsatzsteuer an eine zentrale Meldestelle der EU weitergeben, die wird dort dann den richtigen Ländern zugeordnet und weitergeleitet. Musterdesign ist auf jeden Fall nichts um sich ein wenig das Taschengeld aufzubessern – der bürokratische Aufwand im Hintergrund ist wirklich massiv und muss sich auch irgendwie lohnen.

  4. Boah, was für eine nervige Regelung! Dass man sich als kleiner Shopbetreiber mit solchen Dingen auseinandersetzen muss… Ich hoffe, die Umsätze beiben auch mit dem Kit-Konzept erhalten! Und, dass diese EU-Regelung nochmal etwas angepasst wird!
    Liebe Grüße, Katha

    1. Nervig ist noch nett ausgedrückt 😉
      Jedenfalls würde ich mir wirklich wünschen dass jeder, der sich über die Musterpreise beschwert, einmal sieht was für eine Kostenstruktur hinter einem Ravelry Verkauf steht:
      Es geht ab: die Ravelry Provision, die Paypal Gebühr, die Umsatzsteuer, die Buchungspauschale beim Steuerberater, und die Einkommenssteuer…
      Natürlich verdient man am Ende etwas, aber die Lizenz zum Geld drucken ist es eher nicht 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert